Gezählt, gerechnet und doch nicht alles erfasst: Die Arbeitslosenquote unter der Lupe

Die Arbeitslosenquote gilt als zentraler Indikator zur Einschätzung der Lage am Arbeitsmarkt, doch ihr Aussagewert wird oft politisch instrumentalisiert. So z.B. kann die Arbeitslosenquote der Regierung zur Rechtfertigung ihrer Politik dienen. Für die Opposition fungiert sie als Mittel zur Kritik der Arbeitsmarkpolitik. Arbeitgeberverbände nutzen sie, um Reformen anzumahnen, während Gewerkschaften und Sozialverbände sie heranziehen, um sich dagegen zu wehren. Doch wie erfüllt sie eigentlich ihren tatsächlichen Zweck: ein möglichst genaues Abbild der Realität zu liefern?

Was die Arbeitslosenquote beschreibt

„Geht vom Zugang zur Erwerbsarbeit eine wichtige soziale Inklusionswirkung aus, birgt vor allem dauerhafte Erwerbslosigkeit ein hohes Risiko der Exklusion“ (Boeckh u.a. 2022, S. 233). Arbeitslosigkeit bedeutet für die betroffenen Menschen finanzielle Einbußen und eingeschränkte Möglichkeiten der sozialen Teilhabe. Um diesen Folgen gezielt begegnen zu können, bedarf es Indikatoren, welche das Ausmaß der Arbeitslosigkeit in einer Gesellschaft zeigen können. Eine der wichtigsten Kennzahlen zur Beschreibung der Beschäftigungslage und des Ausmaßes der Arbeitslosigkeit stellt die Arbeitslosenquote dar. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verkündet monatlich die offizielle Zahl der Arbeitslosen, die in den Arbeitsagenturen und in den Jobcentern erhoben wird.  

Die Formel hinter der Zahl: So wird die Arbeitslosenquote ermittelt

Die Arbeitslosenquote entspricht dem prozentualen Anteil der Arbeitslosen an den Erwerbspersonen. Die Erwerbspersonen setzen sich aus den Erwerbstätigen und den Arbeitslosen zusammen.

Die Formel: AQ = (Arbeitslose/Erwerbstätige + Arbeitslose) *100

Der Quote erster Teil → Registrierte Arbeitslose

Wer alles als arbeitslos zählt, ist im Dritten Sozialgesetzbuch (SGB III) im § 16 geregelt. Es handelt sich dabei um Personen,

  • die vorübergehend ohne Beschäftigung sind oder weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten,
  • die eine versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche suchen,
  • die den Vermittlungsbemühungen von Arbeitsagentur oder Jobcenter zur Verfügung stehen,
  • die in Deutschland wohnen, mindestens 15 Jahre alt sind und die Rentenaltersgrenze noch nicht erreicht haben,
  • die sich persönlich bei einer Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter arbeitslos gemeldet haben.
Der Quote zweiter Teil → Erwerbspersonen bzw. Erwerbstätige und Arbeitslose

Der Nenner in der Formel enthält die Summe aus den Erwerbstätigen und den Arbeitslosen. Dabei kann die Anzahl der Erwerbstätigen auf zweierlei Weise ermittelt werden. Zum einen können alle zivilen Erwerbspersonen als Erwerbstätige gezählt werden. Alle zivilen Erwerbstätigen sind die Summe aus den abhängigen zivilen Erwerbstätigen sowie Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen. Zum anderen können die abhängigen zivilen Erwerbspersonen als Erwerbstätige im Nenner gezählt werden. Die abhängigen zivilen Erwerbstätigen sind die Summe aus sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (einschließlich Auszubildenden), geringfügig Beschäftigten und Beamten (ohne Soldaten).

Das bedeutet, dass die Arbeitslosenquote einmal auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen und einmal auf Basis der abhängigen zivilen Erwerbspersonen berechnet werden kann.

Was die Arbeitslosenquote verrät – und was nicht

Die Arbeitslosenquote erfasst den aktuellen Anteil der arbeitslos gemeldeten Personen an den Erwerbspersonen. Mit dieser Betrachtung können Entwicklungstrends am Arbeitsmarkt beobachtet und Veränderungen über Zeiträume hinweg beschrieben werden. Zudem können Hinweise zu regionalen und sektoralen Unterschieden in der Arbeitslosigkeit gegeben werden.

Die Arbeitslosenquote ist in ihrer Aussagefähigkeit aber aus verschiedenen Gründen begrenzt. Wer sich etwa nicht rechtzeitig bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos meldet, wird trotz bestehender Arbeitslosigkeit nicht mehr in der Statistik erfasst. Ebenso wenig werden diejenigen gezählt, die eine Teilzeitarbeit mit weniger als 15 Stunden pro Woche suchen, die aufgrund von Krankheit, Umschulung oder der Teilnahme an einer arbeitsmarkpolitischen Maßnahme vorübergehend nicht verfügbar sind oder die die Jobsuche über das Arbeitsamt aufgegeben haben. Darüber hinaus werden Arbeitslose, die sich nicht bei der Arbeitsagentur melden (die sogenannte stille Reserve), weil sie z. B. keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, ebenfalls nicht in der Statistik berücksichtigt. Im Gegensatz dazu werden Beschäftigte im öffentlichen Dienst und Beamte zur Gesamtzahl der abhängigen zivilen Erwerbstätigen gezählt, obwohl ihr Risiko, arbeitslos zu werden, kaum oder gar nicht besteht.

Warum ist sie dennoch ein wichtiger Indikator?

Die Arbeitslosenquote ist eine wesentliche Kennzahl zur Beurteilung der wirtschaftlichen und sozialen Lage einer Region. Sie gibt – unter Berücksichtigung der diskutierten Grenzen – Auskunft darüber, wie viele Menschen arbeitslos sind und zeigt eine erste Tendenz über die Stabilität des Arbeitsmarktes. Neben ihrer Funktion als Gradmesser für die wirtschaftliche Lage einer Region, wird sie auch als Entscheidungsgrundlage zur Steuerung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und der Sozialpolitik herangezogen. Arbeitslosigkeit hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Folgen. Eine hohe Arbeitslosenquote kann auf soziale Ungleichheit, Armut oder prekäre Lebenslagen hinweisen. Sie beeinflusst das gesellschaftliche Klima und kann sich auf die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung auswirken. Die Arbeitslosenquote erlaubt auch den Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung verschiedener Regionen. Damit kann gezeigt werden, wo ggf. politischer und wirtschaftlicher Handlungsbedarf in den einzelnen Regionen besteht.

Abschließend ist zu jedoch ergänzen, dass neben der Darstellung der Arbeitslosenquote weitere Kennzahlen (z.B. Angaben zur Unterbeschäftigung oder die Abbildung der Arbeitslosigkeit über das Erwerbskonzept der ILO: International Labour Organization) herangezogen werden sollten, um das tatsächliche Ausmaß von Arbeits- bzw. Erwerbslosigkeit differenziert einschätzen zu können.

Quellen

Boeckh, Jürgen, Ernst-Ulrich Huster, Benjamin Benz und Johannes Schütte 2022: Sozialpolitik in Deutschland. Eine systematische Einführung. 5. Auflage. Wiesbaden: Springer VS

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